Samstag, 21. Juli 2007

Rede 20.07.07

REDE ZEUGNISÜBERGABE 20.07.07


Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Fachleiterinnen und Fachleiter, lieber Herr Häcker, lieber Herr Wengert, liebe Gäste.

Wir halten nun unser Zeugnis in den Händen. Ein langer, oftmals steiniger Weg liegt hinter uns. Wir haben alle Hürden gemeistert und daher sei nun ein Blick auf die vergangenen zwei Jahre erlaubt.

Dazu möchte ich euch zu einer kleinen Phantasiereise einladen.J

Stellt euch vor, ihr steht in einem dunklen Gang – alleine. Es ist ganz still, ihr habt Angst. Euer Herz rast, die Hände sind feucht und zittern, euer einziger Gedanke: WEG HIER. Doch da ertönt ein Gong und wie von Zauberhand setzt sich ein Förderband in Bewegung, das euch nach vorne transportiert. Vor euch sind die Umrisse eines schwarzen Vorhanges erkennbar, der sich nun öffnet. Ihr werdet hinausgeschoben ins Licht. Es blendet, es ist heiß – aber ihr friert. Ihr seht euch zaghaft um und bemerkt, dass ihr in einer Manege steht. Doch die Zuschauerränge sind leer – nur ganz hinten sitzen zwei Personen, in Dokumente vertieft mit gezückten Kugelschreibern.
Ihr schaut an euch herunter und bemerkt, dass ihr in einem Clownskostüm steckt. Ihr habt keine Zeit, euch darüber Gedanken zu machen, denn schon setzt die Musik ein und 32 kleine Hunde stürmen in die Manege. Ihr lasst sie über Wippen gehen, durch Feuerringe springen, Pyramiden bauen, im Takt der Musik bellen, Pirouetten drehen und in Vierergruppen im Kreis laufen.
Ihr seid gerade bei der letzten Nummer, da setzt die Musik aus und alle Hunde rennen nach draußen. Ihr räumt die Utensilien zusammen und da stehen die beiden Besucher auch schon vor euch...

Kommt euch diese Situation bekannt vor?

Diese Vorstellung der ganz besonderen Art nannte sich Lehrprobe und hat zu großen Teilen unser Leben im vergangenen Jahr bestimmt.
Dabei waren wir manchmal ein lustiger, manchmal ein trauriger Clown, manchmal erhielten wir Applaus für unsere Vorstellung, manchmal Schweigen, manchmal wurden wir von den kritischen Besuchern in der Luft zerrissen. Dabei gab es Situationen, in denen wir Kritik gerne angenommen haben und andere, bei denen es uns sehr schwer fiel. Manchen Zirkusbesuchern war nicht klar, wie abhängig wir von ihrer Kritik waren, dass es von ihrem Urteil abhing, ob wir in Zukunft weitere Vorstellungen würden geben dürfen oder nicht. Und dass auch manchmal der Ton, in dem die Kritik gegeben wurde, ausschlaggebend dafür war, ob man sich erneut in die Manege wagte oder das Clownskostüm lieber an den Nagel hing.
Auch der Blick in die Manegen anderer Zirkusse hat uns manchmal zweifeln lassen, ob die Kriterienkataloge der Zirkusbesucher wirklich die gleichen waren.

Und der Weg bis zu diesen Vorstellungen war lang und hart. Wir mussten ein anstrengendes Trainingsprogramm absolvieren. Dabei halfen uns manche Trainingseinheiten sofort – der Sinn anderer Veranstaltungen offenbarte sich uns erst später. Meistens.
Aber noch mehr Schwierigkeiten waren zu meistern. Am Nachmittag waren wir die wilden oder auch scheuen Tiere, die es zu dressieren galt, morgens waren wir die Dompteure.
Wir hatten Fachleiter, Tutoren, Mentoren und waren selbst Kollege, Lehrer, Autoritätsperson. Das war nicht immer leicht.

Das zeigt sich auch daran, dass wir einige von denen, die die Ausbildung mit uns begonnen haben, auf diesem Weg verloren haben. Manche sind freiwillig gegangen, weil sie gemerkt haben, dass eine andere Bühne ihr zuhause ist, andere waren gezwungen zu gehen. Von einem Kollegen mussten wir uns leider unwiderruflich verabschieden. Der Tod von Dominik Benz hat uns zutiefst erschüttert und hat vielen von uns die schwierige Situation, in der wir gerade steckten noch deutlicher gemacht.
Aber es gab auch freudige Ereignisse. Es wurde geheiratet, neue Freundschaften wurden geschlossen und eine nicht unerhebliche Zahl von Kindern wurde geboren.

Und natürlich haben wir viel gelernt.

Wir haben gelernt wie Pädagogen zu denken und zu handeln.
Unser Vokabular hat sich um einige Begriffe erweitert, zum Beispiel: Nachhaltigkeit, Differenzierung, offener Unterricht, Zula, FD, RP, Ade (AD), Wiese, APR, VD24, Abteilung 7, runde Stunde, Fishbowl, Gruppenpuzzle, interkultureller Aspekt, didaktische Reduktion, Hot Chair, Schülerzentrierung, UG, PA, TA, GA, Zeitmanagement, Validität, Reliabilität, §90, pädagogische Freiheit – Entschuldigung, pädagogische Verantwortung, Evaluation, Portfolio.
Doch es blieb nicht beim Vokabular, auch in der Unterrichtspraxis machten wir Fortschritte.
Wir sind ja noch ein Jahrgang, in dem die meisten außer eines vierwöchigen Praktikums keinerlei Erfahrungen bezüglich des Unterrichtens hatten. Aber jetzt wissen wir, wie man eine Stunde aufbaut, wie man die Schüler motiviert, wie man mit Disziplinproblemen umgeht, wie man Elterngespräche führt, Klassenarbeiten konzipiert und korrigiert, welche Methoden es gibt und wann man sie am besten einsetzt. Zumindest theoretisch.

Natürlich ist unser ganzes Wissen noch sehr ausbaufähig. Wir werden immer wieder straucheln, vielleicht manchmal zweifeln, sogar einen Rückschritt einstecken müssen.
Aber alles in allem wissen wir, dass wir es können.
Lasst uns das Clownskostüm abstreifen und an den Nagel hängen, denn jetzt heißt es – wenn nicht schon längst geschehen – unseren eigenen Weg, unseren eigenen Stil finden. Denn schließlich kommt es ab jetzt darauf an, dass WIR mit unseren Vorstellungen zufrieden sind. Dazu wünsche ich uns allen alles alles Gute, sehr viel Kraft, Energie, Durchhaltevermögen, Beharrlichkeit, Standfestigkeit und Kollegen, die uns unterstützen.



Liebe Fachleiterinnen und Fachleiter,

Sie haben uns durch diese zwei Jahre zum Teil gezogen, dann wieder geschubst, an die Hand genommen, geleitet. Von Ihnen haben wir viel gelernt.
Danke.

Liebe Frau Arnold- Humpfer, liebe Frau Schilling,

Sie waren die fleißigen Bienchen im Hintergrund, durch die die Seminarabläufe so gut funktionierten. Sie hatten immer freundliche Worte, ein offenes Ohr und waren stets hilfsbereit. Dafür wollen wir uns heute bei Ihnen im Namen aller Referendarinnen und Referendare recht herzlich bedanken.

Lieber Herr Häcker, lieber Herr Wengert,

wir wissen, für Sie ist es nicht nur ein Abschied von unserem Kurs sondern auch vom Seminar. Nicht zuletzt deshalb möchten wir Ihnen als ihr letzter Kurs auch ganz besonders für Ihr Engagement danken. Sie beide schwebten über allem – dezent aber präsent. Mit Klarheit und Konsequenz aber auch Menschlichkeit lenkten Sie uns an unser Ziel. Herzlichen Dank.


Neben dem ganzen Stress waren es auch schöne zwei Jahre. Wir haben gemeinsam gelitten aber auch zusammen gefeiert. Und das wollen wir heute auch noch einmal tun. Ihr seid alle - nach dem Musikstück - herzlich eingeladen zu Sekt und Brezeln in den Innenhof des CVJM.

Keine Kommentare: